Corona-Pandemie: Bewährungsprobe für Unternehmer
Dr. Wolf-Rüdiger von der Fecht
Partner, Rechtsanwalt und Steuerberater
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Täglich überschlagen sich die Nachrichten über das Coronavirus (SARS-CoV-2), das die teils schwere Atemwegserkrankung COVID-19 mit sich bringen kann. Das Virus bedroht jedoch nicht mehr nur die individuelle Gesundheit, sondern bereitet inzwischen auch der Wirtschaft erhebliche Sorgen.
So müssen Unternehmen nicht nur Vorkehrungen zum Schutze ihrer Mitarbeiter treffen, sondern haben z.B. mit Unterbrechungen der Lieferketten, verzögerten oder gänzlich ausbleibenden Zahlungen sowie mit einem Rückgang der Nachfrage zu kämpfen. Hinzu kommen die zur Eindämmung der Verbreitung des Virus für viele Branchen sehr einschneidenden Maßnahmen des Bundes und der Länder.
An den Börsen haben die negativen Wirtschaftsaussichten schon zu enormen Kurseinbrüchen geführt.
Von der Pandemie schon jetzt besonders betroffen ist die Kunst- und Unterhaltungsbranche. Das öffentliche Leben kommt täglich immer weiter zum Stillstand, Großveranstaltungen über 1000 Personen sind bereits seit einiger Zeit abgesagt, auch auf kleinere Veranstaltungen wird nunmehr verzichtet. Theater, Museen, Konzerthäuser, Kinos und Bars werden für einen voraussichtlich begrenzten Zeitraum gänzlich geschlossen.
Zudem sind insbesondere auch der Messebau, die Bekleidungsindustrie, Unternehmen mit internationalen Lieferketten, die Tourismus- und Hotelbranche sowie Restaurants und Caterer enorm von den Auswirkungen der Corona-Krise betroffen.
Corona führt in fast allen Wirtschaftszweigen zu deutlichen Ertrags- und sofort spürbaren Liquiditätsbelastungen.
Welche liquiditätsstärkenden Maßnahmen kann das Unternehmen selbst ergreifen?
Zunächst kann das Unternehmen die Liquiditätssituation durch eigene Maßnahmen selbst in die Hand nehmen. Dies kann beispielsweise (ggf. in Abstimmung mit den Vertragspartnern) durch gezieltes Debitorenmanagement, die Vereinbarung von Factoring, die Reduzierung des Vorratsvermögens, die Verhandlung und Anpassung tariflicher Sonderleistungen, die Überprüfung der steuerrechtlich relevanten Sachverhalte, die Verhandlung von Ratenzahlungsvereinbarungen oder Stundungen (beispielsweise mit der Bank, dem Vermieter oder der Finanzverwaltung) erfolgen.
Zur Überprüfung der wirtschaftlichen Situation sowie zur Durchführung der oben beispielhaft genannten Restrukturierungsmaßnahmen ist es ratsam, sich externen Rat einzuholen. Gerne stehen wir Ihnen hierbei mit unserem gesamten interdisziplinären Team zur Seite. Darüber hinaus hat auch die öffentliche Hand Maßnahmen zur Überbrückung der Krise eingeleitet.
Was hat der Bundestag beschlossen?
Zur Eindämmung der negativen Folgen der Corona-Krise hat der Bundestag im Eilverfahren einen neuen Gesetzesentwurf zum Kurzarbeitergeld beschlossen.
Am 13. März 2020 hat der Bundestag einstimmig einen erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld geregelt. Ziel des Gesetzes ist die Verhinderung dauerhafter Schäden für Unternehmen in der aktuellen Krisensituation.
Folgende Erleichterungen sieht das „Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld“ vor:
- Ein Betrieb kann Kurzarbeit schon dann beantragen, wenn aufgrund schwieriger wirtschaftlicher Entwicklung wenigstens 10 Prozent der Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen sind (bisher musste ein Drittel der Beschäftigten betroffen sein);
- Es soll vollständig oder teilweise auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden vor Zahlung des Kurzarbeitergeldes verzichtet werden. Nach aktueller Rechtslage sollen Betriebe Vereinbarungen zu Arbeitszeitschwankungen zur Vermeidung von Kurzarbeit ausschöpfen;
- Zukünftig sollen auch Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer Kurzarbeitergeld erhalten können;
- Sozialversicherungsbeiträge, die bisher von dem Arbeitgeber für die Beschäftigten zu zahlen waren (sog. Remanenzkosten), sollen im Rahmen der Corona-Krise vollständig von der Bundesagentur für Arbeit erstattet werden.
Das Gesetz soll zeitnah verkündet werden und rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft treten. Das Kurzarbeitergeld kann bereits jetzt beantragt werden.
Die in das Gesetz aufgenommenen Änderungen sollen befristet bis zum 31. Dezember 2021 gelten.
Was genau ist eigentlich Kurzarbeit?
Wenn die Beschäftigten eines Unternehmens für einen vorübergehenden Zeitraum weniger oder sogar gar nicht mehr (sog. Kurzarbeit Null) arbeiten können, wird der den Arbeitnehmern fehlende Verdienst durch die Bundesagentur für Arbeit mit Kurzarbeitergeld teilweise ausgeglichen. Es handelt sich dabei um Ausgleichszahlungen in Höhe von 60 Prozent – sind Kinder zu versorgen 67 Prozent – des Nettolohnes. Die Höchstdauer für den Bezug von Kurzarbeitergeld ist auf maximal 12 Monate beschränkt (§ 104 SGB III). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann die Bezugsdauer in Ausnahmefällen auf 24 Monate verlängern (§ 109 Abs. 1 Nr. 2 SGB III).
Unter welchen Voraussetzungen wird Kurzarbeitergeld gewährt?
Damit Kurzarbeitergeld von der Bundesagentur für Arbeit ausgezahlt wird, müssen grundsätzlich vier Voraussetzungen von dem beantragenden Unternehmen erfüllt werden:
- Vorübergehender erheblicher Arbeitsausfall, der mit einem Entgeltausfall einhergehen muss. Der Arbeitsausfall muss sich dabei aus wirtschaftlichen Gründen oder durch ein unabwendbares Ereignis ergeben und unvermeidbar sein (§ 96 SGB III).
- Die betrieblichen Voraussetzungen sind gegeben, wenn in dem Betrieb mindestens ein Arbeitnehmer beschäftigt ist (§ 97 SGB III).
- Der das Kurzarbeitergeld Beziehende muss einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen und sein Arbeitsverhältnis darf nicht gekündigt oder durch Aufhebungsvertrag aufgelöst sein (§ 98 SGB III).
- Der Arbeitsausfall muss von dem Arbeitgeber bei der Bundesagentur für Arbeit schriftlich oder elektronisch angezeigt werden (§ 99 SGB III).
Wie kann Kurzarbeit beantragt werden?
Der Arbeitgeber muss seine Mitarbeiter zunächst über die geplante Kurzarbeit informieren und die Zustimmung der Betroffenen einholen. Nachdem die Kurzarbeit bei der Bundesagentur für Arbeit angezeigt wurde und diese festgestellt hat, dass das Unternehmen die Voraussetzungen erfüllt, kann das Kurzarbeitergeld online durch den Arbeitgeber beantragt werden.
Wie kann die Einführung von Kurzarbeit im Betrieb erfolgen?
Damit Kurzarbeit in den Betrieb eingeführt werden kann, muss eine vertragliche Grundlage bestehen. Sollten also keine Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder arbeitsvertragliche Grundlagen bestehen, die eine vorübergehende Kurzarbeit ermöglichen, muss eine Änderungskündigung vorgenommen werden.
Muss der Betriebsrat beteiligt werden?
Ja, der Betriebsrat hat im Falle der Einführung von Kurzarbeit mitzubestimmen, da es sich um eine vorübergehende Verkürzung der Arbeitszeit im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG handelt.
Was kostet die Kurzarbeit den Arbeitgeber?
Grundsätzlich sind nach der bisherigen Rechtslage von dem Arbeitgeber für die Zeit der Kurzarbeit für 80 Prozent des ausgefallenen Bruttogehalts sowohl der Arbeitnehmer- als auch der Arbeitgeberanteil der Sozialversicherung zu zahlen. Durch das „Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld“ wurde für die aktuelle Krisensituation jedoch beschlossen, dass auch diese Sozialversicherungsbeiträge von der Agentur für Arbeit vollständig übernommen werden. Das Unternehmen ist folglich entlastet.
Gibt es noch andere finanzielle Hilfen für Unternehmen, die sich in einer akuten Notlage aufgrund der Corona-Krise befinden?
Die Einführung des erleichterten Zugangs zum Kurzarbeitergeld gehört zu einem noch umfangreicheren Maßnahmenpaket der Bundesregierung, nämlich dem „Schutzschild für Beschäftigte und Unternehmen“.
Es sollen insbesondere steuerliche Maßnahmen ergriffen werden, um die Liquidität von Unternehmen zu verbessern. So sollen Stundungen von Steuerzahlungen erleichtert und Vorauszahlungen leichter abgesenkt werden. Auf Vollstreckungen und Säumniszuschläge, die im Zusammenhang mit den Auswirkungen der Corona-Krise stehen, soll zudem verzichtet werden.
Außerdem sollen auch bereits bestehende Programme für Liquiditätshilfen ausgeweitet und für einen größeren Kreis von Unternehmen zugänglich gemacht werden, so z.B. die KfW- und ERP-Kredite. Der Start der Sonderprogramme unterliegt derzeit jedoch noch dem Vorbehalt einer Genehmigung durch die Europäische Kommission. Die Kredite zur Überbrückung von Liquidationsengpässen können durch die Bürgschaftsbank NRW in Höhe von bis zu 2,5 Mio. Euro sowie ab einer Höhe von 2,5 Mio. Euro durch das Landesbürgschaftsprogramm besichert werden.
Da nicht sichergestellt werden kann, dass die oben aufgeführten Hilfen rechtzeitig innerhalb der Drei-Wochen-Frist des Insolvenzantrags gem. § 15a InsO bei den Unternehmen ankommen, soll nunmehr auch die Insolvenzantragsfrist bis zum 30. September 2020 für betroffene Unternehmen ausgesetzt werden. Der Insolvenzgrund muss hierfür auf den Auswirkungen der Corona-Krise beruhen und es müssen begründete Aussichten auf Sanierung aufgrund öffentlicher Hilfen oder ernsthafter Verhandlungen bzgl. der Finanzierung oder Sanierung bestehen. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz teilte in der Pressemitteilung vom 16. März 2020 mit, dass eine diesbezügliche gesetzliche Regelung vorbereitet wird.