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Geschäftsführerhaftung

Haftungsfalle (auch) für den vermögenshaftlichtversicherten Geschäftsführer einer GmbH

Achim Kraekel

Rechtsanwalt

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Im Insolvenzverfahren stellt die Regelung des § 64 GmbHG die zentrale Haftungsnorm für Ansprüche gegen Geschäftsführer dar (bzw. § 93 AktG bei der Aktiengesellschaft oder § 130a HGB bei der Kommanditgesellschaft). Der Insolvenzverwalter macht regelmäßig Haftungsansprüche aus § 64 GmbHG gegenüber dem Geschäftsführer geltend. Anders, als vielfach gedacht, ist die Haftung bei juristischen Personen nämlich keineswegs auf das Vermögen der Gesellschaft beschränkt. Vielmehr kann der Geschäftsführer (bei Bestellung mehrerer Geschäftsführer haften diese in der Regel gesamtschuldnerisch) für eine Vielzahl von Zahlungen aus dem Betriebsvermögen persönlich in Anspruch genommen werden, wenn diese trotz Insolvenzreife, also im Stadium der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, geleistet worden sind. Insolvenzreife tritt in der Regel deutlich früher ein, als Viele annehmen. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Gesellschaft macht der Insolvenzverwalter daher in aller Regel Ansprüche aus Organhaftung gegen die Vertreter der Gesellschaft in erheblichem Umfang geltend, die auch zu deren Privatinsolvenz führen können.

Diesem persönlichen Haftungsrisiko sind Gesellschaften vielfach dadurch begegnet, dass sie eine Haftpflichtversicherung für ihren Geschäftsführer, eine sog. D&O-Versicherung, abgeschlossen haben. Die Versicherung soll dann – so jedenfalls in der Vorstellung des Versicherten – gegen die Zahlung entsprechender Prämien im Falle seiner begründeten Inanspruchnahme Deckung gewähren und ihn insbesondere auch von der persönlichen Verpflichtung zur Erstattung der trotz Insolvenzreife geleisteten Zahlungen frei stellen. Auch wenn die Verpflichtung der D&O-Versicherung zur Regulierung von Geschäftsführerhaftungsansprüchen in der Vergangenheit durchaus kontrovers beurteilt wurde, ist dieser durch eine vor kurzem ergangene obergerichtliche Entscheidung nunmehr weitgehend der Boden entzogen worden.

Das OLG Düsseldorf hat in einer aktuellen Entscheidung – soweit ersichtlich erstmalig obergerichtlich – ausdrücklich festgestellt, dass ein Geschäftsführer, für den eine Vermögenshaftpflichtversicherung (D&O-Versicherung) abgeschlossen worden ist, die gegen ihn bestehenden (begründeten) Ansprüche aus § 64 GmbHG nicht an die Versicherung weitergeben kann (OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.07.2018 – 4 U 93/16). Er haftet also alleine mit seinem privaten Vermögen. Die Versicherung muss Ansprüche aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführerhaftung aus § 64 GmbHG nicht regulieren. Eine ähnliche Entscheidungstendenz hatte zuvor bereits das OLG Celle im Rahmen eines Prozesskostenhilfebeschlusses ohne jedwede Begründung angedeutet (OLG Celle, Beschl. v. 21.01.2016).

Zur Begründung hat das OLG Düsseldorf im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei dem Anspruch aus § 64 GmbHG um einen Anspruch „eigener Art“ und eben nicht um einen – versicherungsfähigen – Schadensersatzanspruch handele. Diese juristisch ebenso feinsinnige wie umstrittene Auslegung sei insbesondere auch für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und des erkennbaren Sinnzusammenhangs der Versicherungsbedingungen erkennbar. Die Revision zum Bundesgerichtshof hat das OLG Düsseldorf nicht zugelassen.

Diese Entscheidung, auf die sich die einschlägigen Versicherer nunmehr im Falle einer Anzeige der Inanspruchnahme berufen werden, um eine Einstandspflicht abzulehnen, hat zwar Kritik erfahren (Schwencke/Röper, ZInsO 2018, 1937 ff.), ist aber bis auf weiteres als „Leitsatz-Entscheidung“ in der Welt. Ob und ggf. wie die Versicherer, die naturgemäß ein erhebliches Interesse am Vertrieb auch solcher Versicherungen haben, künftig mit der Versicherung solcher Organhaftungsansprüche umgehen werden, bleibt abzuwarten.

Für Geschäftsführer besteht daher aktueller Handlungsbedarf. Zum einen hat er genau zu beobachten, ob Insolvenzgründe bereits bestehen oder zeitnah entstehen können. Je größer die wirtschaftliche Krise ist, desto höher sind seine Beobachtungs- und ggf. auch Handlungspflichten. Insoweit gilt es, gar nicht erst in den Anwendungsbereich der Geschäftsführerhaftungstatbestände zu geraten. Denn wo kein Kläger, da kein Richter.

Für den (versicherten) Geschäftsführer stellt sich die Frage, wie er mit „seiner“ D&O-Versicherung umgehen soll. Für den nicht versicherten Geschäftsführer stellt sich die Frage, ob sich der Abschluss einer D&O-Versicherung angesichts der aufgezeigten Deckungslücke überhaupt lohnt.

In allen Fällen sollte externer Rat eingeholt werden. Gerne stehen wir dafür mit unserem gesamten interdisziplinärem Team zur Verfügung.