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DROHENDE INSOLVENZ WEGEN CORONA: WORAUF UNTERNEHMER JETZT ACHTEN SOLLTEN

Dr. Wolf-Rüdiger von der Fecht

Partner, Rechtsanwalt und Steuerberater

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Geschlossene Geschäfte, abgesagte Events, Messen und Konferenzen und damit einhergehende Umsatzeinbrüche in erheblichem Umfang – fast alle Unternehmen stecken in der Corona-Krise. Ein erstes Maßnahmen-Paket, das die Einführung eines erleichterten Zugangs zum Kurzarbeitergeld, Steuerstundungen sowie einen unbegrenzten Kreditrahmen zum Inhalt hat, wurde von der Bundesregierung präsentiert. 

Zur Einführung des erleichterten Kurzarbeitergeldes haben wir bereits in unserem kürzlich veröffentlichten Artikel „Corona-Pandemie: Bewährungsprobe für Unternehmer“ ausführlich berichtet.

Nicht sichergestellt werden kann derzeit allerdings, dass die staatlichen Hilfsmittel rechtzeitig innerhalb der gesetzlich geregelten Drei-Wochen-Frist zur Stellung des Insolvenzantrags bei Vorliegen eines Insolvenzgrundes (§ 15a InsO) bei den Unternehmen ankommen. Daher will die Bundesregierung die Insolvenzantragspflicht zunächst bis zum 30. September 2020 für von der Corona-Krise betroffene Unternehmen aussetzen. Damit soll verhindert werden, dass Unternehmen nur deshalb Insolvenz anmelden müssen, weil staatliche Hilfen nicht rechtzeitig eintreffen. 

Da es derzeit jedoch noch keine verbindliche Abänderung der Insolvenzordnung gibt, ist bisher noch unklar, welche konkreten Auswirkungen das Vorhaben der Bundesregierung auf Unternehmen haben wird. Allerdings ist bereits jetzt sicher, dass die Aussetzung an strenge Voraussetzungen geknüpft sein wird. So muss durch die Unternehmen plausibel dargelegt werden, dass der Insolvenzgrund auf den Auswirkungen der Corona-Krise beruht. Zudem muss es begründete Aussichten auf eine erfolgreiche Sanierung aufgrund der Bereitstellung öffentlicher Hilfen oder ernsthafter Verhandlungen bzgl. der Finanzierung und Sanierung geben.

Eine rechtzeitige Beratung hinsichtlich möglicher Sanierungsmaßnahmen ist in der aktuellen Krise fast unumgänglich. Wir stehen Ihnen hierbei gerne mit unserem gesamten interdisziplinären Team zur Seite und möchten Ihnen mit diesem Artikel einen ersten Überblick darüber geben, worauf der Unternehmer in der derzeitigen Krisensituation besonders achten sollte. 

Bis zur rechtsgültigen Abänderung der Insolvenzordnung gilt nämlich weiterhin die aktuelle Rechtslage, die im Folgenden dargestellt werden soll.

Wann ist ein Unternehmen zur Insolvenzantragsstellung verpflichtet?

Echte Personengesellschaften wie die oHG, die KG oder die GbR können zwar bei Vorliegen eines Insolvenzgrundes einen Insolvenzantrag stellen, sind hierzu jedoch gesetzlich nicht verpflichtet. 

Eine Pflicht zur Antragsstellung besteht hingegen für Geschäftsführer einer GmbH, GmbH & Co. KG, UG sowie für Vorstände einer AG. Diese müssen unverzüglich, längstens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, den Insolvenzantrag stellen, um einer verschärften persönlichen Haftung aus dem Weg zu gehen. Hierdurch wird zudem eine mögliche Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung vermieden. 

Ein Insolvenzantrag muss bzw. kann nur dann gestellt werden, wenn ein Insolvenzgrund vorliegt. Insolvenzgründe sind die Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO), die drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) und die Überschuldung (§19 InsO). 

Zu beachten ist insbesondere, dass ein Unternehmen nicht erst dann als zahlungsunfähig gilt, wenn es überhaupt keine liquiden Mittel mehr hat. Vielmehr genügt es bereits, wenn nur 10 Prozent oder mehr der fälligen Verbindlichkeiten länger als drei Wochen nicht gezahlt werden können.

Was passiert nach der Antragsstellung?

Nach der Antragsstellung bestellt das Insolvenzgericht regelmäßig einen vorläufigen Insolvenzverwalter, ggf. zunächst auch einen Sachverständigen, der sich in der Regel innerhalb von 24 Stunden bei dem betroffenen Unternehmen melden wird. Er hat u.a. das Vorliegen eines Insolvenzgrundes zu prüfen und ein entsprechendes Gutachten zu erstatten. Dazu ist er berechtigt, die Geschäftsräume des Schuldners zu betreten, um dort die Bücher und Geschäftspapiere zu sichten. Außerdem wird er die weitere Vorgehensweise abstimmen und im Rahmen eines laufenden Geschäftsbetriebs die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes für die Mitarbeiter des Unternehmens beantragen, das für bis zu drei Monate vor Insolvenzeröffnung von der Bundesagentur für Arbeit ausgezahlt wird.

In seiner Funktion ist der vorläufige Insolvenzverwalter nicht allgemeiner Vertreter der Schuldner, sondern hat die Aufgabe, durch Überwachung des Schuldners dessen Vermögen zu sichern.

So wird durch das Insolvenzgericht in der Regel zunächst beschlossen, dass Verfügungen des Schuldners über Gegenstände seines Vermögens nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. 

Bis zur Verfahrenseröffnung ist es für den Antragssteller möglich, den Antrag zurückzunehmen. Wird er nicht zurückgenommen, wird das Insolvenzverfahren durch Beschluss des Insolvenzgerichts eröffnet. Dies geschieht in der Regel etwa zwei bis drei Monate nach der Antragsstellung.

Welche Auswirkungen hat die Eröffnung des Insolvenzverfahrens?

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat zur Folge, dass das gesamte insolvenzfähige Vermögen des Schuldners beschlagnahmt wird. Das Unternehmen kann dann nicht mehr selbst über sein Vermögen verfügen, da hierzu nur noch der bestellte Insolvenzverwalter berechtigt ist. 

Welche Alternativen gibt es zum Regelverfahren?

Als Alternative zum Regelinsolvenzverfahren kann auch ein sog. Eigenverwaltungsverfahren sinnvoll sein. Dieses ist aus Unternehmersicht aus dem Grund besonders attraktiv, weil die Geschäftsführung weiterhin voll entscheidungsfähig bleibt und anstelle eines (vorläufigen) Insolvenzverwalters ein Sachwalter bestellt wird, dem insbesondere eine Kontrollfunktion zukommt. Im Eigenverwaltungsverfahren kann das Unternehmen von einem von ihm selbst ausgewählten Sanierungsexperten begleitet werden. Im Falle eines positiven Verlaufs der Sanierung können die Gesellschafter sogar Inhaber des Unternehmens bleiben. 

Um herauszufinden, ob die Eigenverwaltung eine zweckmäßige Alternative für die eigene Situation ist, sollte jedoch unbedingt ein externer Berater hinzugezogen werden.

Was sollte ein derzeit existenzgefährdetes Unternehmen jetzt tun?

Um Zeit zu gewinnen, kann zunächst versucht werden, Stundungen oder Ratenzahlungsvereinbarungen mit Lieferanten, Vermietern oder anderen Vertragspartnern zu schließen. Hierdurch wird das Fälligkeitsdatum der Forderungen nach hinten verschoben. Des Weiteren kann die professionelle Kommunikation mit Ihrer Hausbank und ein offener Austausch mit dem Betriebsrat dazu beitragen, zeitnah Lösungen mit diesen Stakeholdern herbeizuführen. 

Zudem sollte von den staatlichen Hilfsmaßnahmen, die bereits jetzt möglich sind, Gebrauch gemacht werden. Diese bestehen insbesondere aus steuerlichen Erleichterungen und Programmen für Liquiditätshilfen.

Steuerliche Erleichterungen

Mit Erlass vom 19. März 2020 haben die obersten Finanzbehörden der Länder steuerliche Erleichterungen möglich gemacht. 

Danach können unmittelbar und nicht unerheblich betroffene Steuerpflichtige bis zum 31. Dezember 2020 Anträge auf Stundung der fälligen oder fällig werdenden Steuern sowie auf Anpassung der Vorauszahlungen stellen. Die Anträge dürfen insbesondere nicht deshalb abgelehnt werden, weil die Schäden nicht genau beziffert werden können. Hiermit kann eine unmittelbare Liquiditätsverbesserung erreicht werden. 

Die stark vereinfachten Antragsformulare sind auf den Internetseiten der Finanzämter abrufbar. 

KfW Förderprogramme

Ab dem 23. März 2020 können über die Hausbanken Kredite für Investitionen und Betriebsmittel bei der KfW beantragt werden, sofern das Unternehmen bis zum 31.12.2019 nicht bereits in einer finanziellen Schieflage war. Als Investitionen und Betriebsmittel gelten nach den Angaben der KfW alle laufenden Kosten wie Miete, Personalkosten und Energiekosten sowie auch Aufwendungen für Werbung, Anmeldungen und Genehmigungen, Forschung und Entwicklung, Beratung, Mitarbeiterschulungen, eingeräumte Zahlungsziele und vorfinanzierte Aufträge.

Die bereits bestehenden KfW-Förderprogramme werden ausgeweitet, damit ein größerer Kreis von Unternehmen erreicht werden kann. 

KfW Unternehmerkredit

Unternehmen, die bereits länger als 5 Jahre am Markt etabliert sind, können auf den KfW Unternehmerkredit zurückgreifen. 

Die KfW übernimmt hier für Investitionen und Betriebsmittel einen Teil des Risikos der Hausbanken. Für große Unternehmen erfolgt eine Risikoübernahme von bis zu 80 Prozent. Große Unternehmen sind Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern, mehr als 50 Mio. Euro Umsatz oder mehr als 43 Mio. Euro Bilanzsumme. Für kleine Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitern oder bis zu 50 Mio. Euro Umsatz wird sogar ein Risiko von bis zu 90 Prozent von der KfW übernommen. 

Je Unternehmensgruppe kann nun ein Kredit in Höhe von bis zu 1 Mrd. Euro beantragt werden. Allerdings ist der Kredithöchstbetrag begrenzt auf 

  • 25 Prozent des Jahresumsatzes 2019 oder 
  • das doppelte der Lohnkosten 2019 oder 
  • den derzeitigen Finanzierungsbedarf für die nächsten 18 Monate bei kleinen und mittleren Unternehmen bzw. bei großen Unternehmen der nächsten 12 Monate oder
  • 50 Prozent der Gesamtverschuldung des Unternehmens bei Krediten in einer Größenordnung von über 25 Mio. Euro.

ERP Gründerkredit – Universell

Für Unternehmen, deren Geschäftsgründung weniger als 5 Jahre zurückliegt, kommt der ERP Gründerkredit – Universell in Frage. 

Für Unternehmen, die mindestens 3 Jahre am Markt tätig sind, gilt dasselbe wie für Unternehmen die bereits länger als 5 Jahre am Markt sind. Daher wird im Einzelnen auf die Regelungen des KfW Unternehmerkredits verwiesen. 

Auch kleine, mittelständische und große Unternehmen, die weniger als 3 Jahre am Markt tätig sind, können einen Kredit für Investitionen und Betriebsmittel beantragen. Hierzu wird es noch ergänzende Maßnahmen der Bundesregierung geben, die derzeit noch nicht veröffentlicht wurden. 

Die Begrenzung des Höchstbeitrages ist ebenfalls gleichlaufend mit der Begrenzung des KfW Unternehmerkredits. 

Direktbeteiligung für Konsortialfinanzierung

Im Rahmen der Corona-Krise wurde zudem ein Sonderprogramm für Konsortialfinanzierungen über 25 Mio. Euro ins Leben gerufen. Darin beteiligt sich die KfW zudem für Investitionen und Betriebsmittel von mittelständischen und großen Unternehmen an Konsortialfinanzierungen. Auch hier sollen bis zu 80 Prozent des Risikos durch die KfW übernommen werden, jedoch maximal 50 Prozent der Risiken der Gesamtverschuldung. 

Der Risikoanteil der KfW beträgt im Sonderprogramm mindestens 25 Mio. Euro und ist ebenfalls begrenzt auf 

  • 25 Prozent des Jahresumsatzes 2019 oder
  • das doppelte der Lohnkosten aus dem Jahr 2019 oder
  • den derzeitigen Finanzierungsbedarf für die nächsten 12 Monate.

Kurzarbeitergeld 

Zur Eindämmung der negativen Folgen der Corona-Krise hat der Bundestag zudem bereits einen neuen Gesetzesentwurf zum Kurzarbeitergeld beschlossen. Das Gesetz soll zeitnah verkündet werden und rückwirkend zum 01. März 2020 in Kraft treten. 

Das Kurzarbeitergeld kann bereits jetzt bei der Bundesagentur für Arbeit beantragt werden. 

Zu den Einzelheiten lesen Sie unseren kürzlich veröffentlichten Artikel „Corona-Pandemie: Bewährungsprobe für Unternehmer“.